Dienstag, 3. November 2015

"Möchten Sie vielleicht etwas homöopathisches?"

Kürzlich sah ich mich wieder einmal einer etwas konsternierten Apothekerin gegenüber, als ich auf die Frage, ob es Osanit-Kügelchen sein dürften, mit "nein, ich glaube nicht an Homöopathie" antwortete. Statt um Osanit bat ich um ein Zahnungsgel mit Lidocain, die Tochter dankte es mir und stellte ob der betäubenden Wirkung des Gels nach wenigen Sekunden das Weinen ein. (Nebenbei bemerkt: Wir sollten uns alle glücklich schätzen, dass wir uns nicht daran erinnern können, wie unsere Zähne durchgebrochen sind.)


Keine Globuli. Plätzchen-Deko. Wirksamkeit? Die hier sind silber und machen gute Laune. Punkt für die Deko-Perlen.

Ich wurde schon häufig gefragt, ob ich es mal mit Homöopathie/Alternativmedizin/"was pflanzlichem" probiert hätte. Ich antworte meist, dass ich Medizin bevorzuge, die eine Wirkung hat, welche über den Plazeboeffekt hinausgeht und ich ohne "Schulmedizin" hier gerade nicht mehr säße. Überhaupt, "Schulmedizin", ein Begriff, den selbst deren Verfechter benutzen, und auf den ich in den letzten Jahren geradezu allergisch reagiere. Medizin ist Medizin. Wenn es wirkt, ist es Medizin. Wenn es keine Nebenwirkungen hat, dann hat es aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine Wirkung. Wenn Leute auf die Pharmamafia schimpfen (und gleichzeitig das Millionengeschäft mit wirkungslosen Zuckerkügelchen ignorieren), erwähne ich gerne, dass ich froh bin, dass Pharmafirmen an modernen Medikamenten forschen, die mir meine Schmerzen nehmen. Ich möchte ja an dieser Stelle und in der Diskussion mit Homöopathie-Fans gar nicht Big Pharma feiern und verteidigen- Klar, die sind keine Menschenfreunde, sondern haben ein wirtschaftliches Interesse, aber bitte, verschenken Wala und co. ihre im Mondschein linksrum gerührten Präparate? Die Gewinnspanne ist dort sicher höher als bei einem Medikament, das Jahrzehntelang erforscht werden muss.Gerade bei Morbus Crohn gibt es z. B. Behandlungsmöglichkeiten mit sogenannten Biologicals, die- ohne, dass ich auch nur halbwegs deren Wirkweise verstehen kann- wirkliche High-Tech-Medikamente sind. Spannendes Thema, vielleicht an anderer Stelle. 

Es gibt ebenso spannende alternative Ansätze bei Morbus Crohn, vom Marihuana bis zu Wurmeiern, alles jedoch Alternativen mit nachvollziehbaren Wirkprinzipien und wissenschaftlicher Begleitung. Ich kann verstehen, dass man jeden Strohhalm greift, wenn man krank ist und sich Linderung verspricht. Das geht mir nicht anders: Ich hab z. B.  Unmengen von probiotischen Joghurt-Drinks runtergekippt, in der Hoffnung, es könnte helfen. Es gibt eine Studie, die denen Wirksamkeit bei Darmentzündungen unterstellt, und auch nur da, also nix mit "stärkt das Immunsystem". Das wäre, nebenbei bemerkt, bei einer Krankheit, die man mit Medikamenten behandelt, die das übereifrige Immunsystem bremsen, auch ganz schön schizophren.

Manche mögen mich für ignorant halten, auch "wissenschaftsgläubig" wurde ich schon genannt- ein Glück, dass Wissenschaft funktioniert, ohne dass man daran glauben muss! 

Ich schaue übrigens auch jedes mal irritiert über den Apothekentresen, wenn mir jemand mit einem Doktortitel mal wieder etwas andrehen will, das keinen Wirkstoff enthält. Und wenn meine Kollegin mit den Bachblüten um die Ecke kommt, nehme ich Reißaus. Würde bei mir ja ohnehin nicht helfen, da ich nicht dran glaube, schade aber auch. 

Wie geht Ihr mit sowas um, krank oder gesund? "Schadet wenigstens nix" denken und hoffen, dass es wirkt? Gerad bei Kindern? Oder ganz verteufeln? Könnt Ihr eine Grenze ziehen zwischen "Alternativ" und "Humbug"?